objects and artifacts

2019, Mixed-Media-Videoinstallation, bestehend aus HD-Video, 16‘05“, Farbe, Ton, Trapezblech​

In Objects and Artifacts, der in Murmansk, einer Hafenstadt oberhalb des Polarkreises in Russland, gedreht wurde, verwebt sich die raue Natur mit von Menschenhand geschaffenen Strukturen zu einer erhabenen und grenzenlosen Landschaft. Inmitten dieser Aussichten tauchen gelegentlich winzige menschliche Figuren auf. Am Ende ragt das Aljoscha-Denkmal für die Verteidiger der sowjetischen Arktis während des Großen Vaterländischen Krieges auf einem Hügel empor, und die Menschen stehen vor dem über 40 Meter hohen Denkmal. Menschen, die von einer kolossalen, vom Staat errichteten Statue in den Schatten gestellt werden und inmitten mechanisierter Strukturen leben, die die Gesamtheit des industriellen Systems andeuten: Wenn wir diese Menschen sehen, die von mächtigen Systemen verschlungen werden, denen der Einzelne nichts entgegenzusetzen hat, sehen wir vielleicht ein Porträt von uns selbst.

Takeshi Matsuoka

Interview

Lighcone Paris, 22th February, 2021

Where exactly is located the "post-apocalyptic landscape" of OBJECTS AND ARTIFACTS and how did you get there?

OBJECTS AND ARTIFACTS wurde gefilmt in Jakutien und der Murmansk Oblast der Russischen Föderation. Beides sind Gebiete bekannt für die Schwerindustrie. Mich hat diese Gegend interessiert im Bezug auf ihre strategische Bedeutung für die Sowjetunion sowie das heutige Russland. An diesen Orten werden Unmengen an Bodenschätzen gewonnen wie unter anderem Nickel, Öl, Diamanten, Apatit, Nephelin und Gold. Beides sind auch Gebiet die nah am arktischen Zirkel liegen und sich damit erheblich auf Lebens- und Arbeitsbedingungen auswirken.

 

Diese Gebiete sind nicht wirklich repräsentativ für die Sowjetunion und vielen ist deren Bedeutung auch nicht bekannt. Wenn man über spezifische Orte Russlands oder der UdSSR spricht, bezieht man sich meistens auf Moskau oder Sankt Petersburg. Und doch waren diese Orte von enormer Bedeutung was die wirtschaftliche und geopolitische Vormachtstellung der UdSSR anging. Ohne den Zugang zu diesen Ressourcen hätte eine andere Geschichtsschreibung stattgefunden. In der Patina der Ruinen und rostenden Industriekomplexe zeichnet soviel Geschichtlichkeit ab, die sich über viele Jahrzehnte in den sedimentierenden Schichten der Schwermetalle eingelagert hat.

Can you elaborate on the film's enigmatic title and on your formal approach as a filmmaker?

Der Titel des Films bezieht sich auf eine der russische Landschaft sehr eigenen Art und Weise mit Vergangenheit umzugehen. Vielleicht hat es mit der emensen Größe des Landes zutun. Speziell an den Orten, an denen viele industrielle Komplexe in kürzester Zeit erbaut worden sind, gibt es verhältnismäßig viele Ruinen älterer Versionen der gebauten Einrichtungen. Geisterstädte aus der Zeit der UdSSR sind viel verbreitet. Beim Reisen durch Russland werde ich das Gefühl nicht los, dass das Land geschrumpft sei, als ob vorher eine größere Zivilisation und ein größeres Geschehen hier stattgefunden hatte. Die vielen Ruinen und alten Industrieareale aus der Sowiezeit, die bis heute wie Relikte überall im Land verteilt sind wirken auf mich wie eine Art Zeitkapsel. In dem Film habe ich versucht diese Zeitkapseln, die fließend von einer Epoche in die nächste vegetieren einzufangen.

Can you tell us a bit more about your political and ecological concerns with the post-Soviet landscape?

In dem Projekt hat mich das Zusammendenken von Ideologie und deren Materialisierung innerhalb industrieller Ortschaften oder Territorien interessiert. Der Abbau von Mineralien und Rohstoffen ist direkt an geopolitische Strategien geknüpft. An diesem Prozess sind ineinander verschränkte Fragestellungen nach Identität und Nation geknüpft. Ich habe eine wenig kommentierende filmische Form gewählt diesen Fragestellungen zu begegnen, weil ich denke das kinematische Ästhetisierung neue Verknüpfungen auf der Ebene der Wahrnehmung schaffen können. Ich denke auch dass die filmische Betrachtung der postsovietischen Landschaft die Frage nach einem grundsätzlichen Umgangs mit Materie hervorrufen kann. Ob ein sovietischer Vielvölkerstaat oder eine neue föderale Struktur die russische Landschaft ordnet, verwaltet und strukturiert, die Frage nach Verantwortlichkeit auf globaler Ebene bleibt immer die selbe. In meiner Arbeit versuche ich dieser Komplexität mit verschiedenen Stilmitteln zu begegnen.

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